Dieser Beitrag wurde der Webseite https://aichau.at entnommen. Er stammt von Andrea und Robert Jiranek.
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Zusammenfassung aller bisher bekannten Ereignisse:
Am 9. August 1881 erschien in der Zeitung „Die Presse“ folgender Artikel:
Der Kaiser hat der Gemeinde Heinreichs zum Schulbau 200 fl. und der Gemeinde Aichau zur Anschaffung einer Glocke 50 fl. (heute ca. 500€) gespendet. Anmerkung: Es dürfte sich dabei um eine Glocke für einen Glockenturm gehandelt haben, da die Kapelle erst 2 Jahre später erbaut wurde.
Am 9. April 1883 wurde in den Ordinariatsprotokollen festgehalten:
Bitte des Pfarramtes Pöbring um Weisung punkto einer in der Gemeinde Eichau zu erbauenden Betkapelle.
Daraus resultierte eine Weisung zur Vorlage eines Reverses.
Revers
Die gefertigten Hausbesitzer der Ortsgemeinde Eichau übernehmen hiermit auf immerwährende Zeiten die solidarische Verpflichtung, die in ihrer Ortschaft im Jahre 1883 erbaute Kapelle samt ihrer inneren Einrichtung in einem guten, ihrem kirchlichen Zwecke entsprechenden Zustande zu erhalten und dafür zu sorgen, daß durch die in derselben mit Wissen und Zustimmung des zuständigen Pfarramtes abgehaltenen Privatandachten den pfarrlichen Gottesdiensten in keinerlei Weise Abbruch geschehe.
Ortsgemeinde Eichau den 23. April 1883
(folgende Hausbesitzer haben unterzeichnet):
Johann Pemmer, Hausbesitzer Nr. 1
Johann Steinmetz, Hausbesitzer Nr. 2
Franz Steurer, Hausbesitzer Nr. 3
Franziska Ochsenbauer, Hausbesitzerin Nr. 4
Ausgeschlossen – Feindschaft Nr. 5 (Anmerkung: damaliger Hausbesitzer: Franz Nagl)
Ignaz Frank, Hausbesitzer Nr. 6
Franziska Brandstetter, Hausbesitzerin Nr. 7
Am 12. August 1883 wurde in den Ordinariatsprotokollen festgehalten:
Bitte des Pfarramtes Pöbring um die Benediktion einer Betkapelle in Eichau
Als Erledigung wurde vermerkt:
Dem h. Bezirksdechant ermächtigt. Intimation (Anmerkung:Bekanntgabe) ans Pfarramt Pöbring.
Die Weihe fand am 16. September 1883 zu Ehren der seligsten Jungfrau unter dem Titel Mariahilf statt. Vorgenommen wurde sie von Dechant Anton Zwölfer.
Am 20. September 1883 berichtet die Zeitung „St. Pöltner Bote“ über die erfolgte Weihung wie folgt:
(Von der Donau, 16. Sept.) Das von der Donau 1 1/2 Stunde entfernte, nach Pöbring eingepfarrte, idyllische Dorf Aichau, welches kaum 50 Einwohner zählt, war heute der Schauplatz einer recht erhebenden Feierlichkeit. Es wurde eine zur Ehre unserer lieben Frau „Maria Hilf“ neu erbaute, geräumige, geschmackvoll ausgestattete Betkapelle eingeweiht. Um 4 Uhr Nachm. kam der hochw. Herr Dechant Anton Zwölfer von Emmersdorf, welcher die Einweihung vornahm, in Begleitung des hochw. Herrn Pfarrers Alois Weber von Pöbring an, und wurde außerhalb des Dorfes unter Musikklängen und Böllersalven von weißgekleideten Mädchen und einer großen Volksmenge (nahezu 600 Personen) empfangen. Unter Abbetung des Rosenkranzes bewegte sich der Zug zur Kapelle, welche nach ritueller Vorschrift eingeweiht wurde. Nach vollzogener Einweihung hielt der hochw. Herr Dechant an das versammelte gläubige Volk eine Ansprache über die Bedeutung dieser geweihten Kapelle und über den Werth des gemeinschaftlichen Gebetes. Diese mit vielen materiellen Opfern erbaute und unter großer Theilnahme eingeweihte Kapelle gibt uns wieder einen Beweis, daß unser Volk noch immer katholisch gesinnt ist, und darum ist nicht zu verzagen.
Am 7. Oktober 1883 wurde in den Ordinariatsprotokollen festgehalten:
Dekanat St. Oswald zu Emmersdorf berichtet ad Nr. 4629 über die vorgenommene Benediktion der Kapelle zu Aichau in der Pfarre Pöbring
Diese Information wurde zur Kenntnis genommen und ad. acta gelegt.
Am 22. Juli 1886 wurde vom Bezirksgericht Pöggstall folgendes Schreiben verfasst:
Löbliches Pfarramt Pöbring!
Der am 21. 6. 1886 zu Eitenthal gestorbene Anton Blauensteiner hat zur Kapelle in Aichau 50 fl. (heute ca. 500€) vermacht.
Hiervon beehrt man sich mit dem Bemerken Mitteilung zu machen, daß Josef Hager in Eitenthal der Zahlungspflichtige ist.
k.k. Bez. Gericht Pöggstall am 22.7.1886
Anmerkung: Unterschrift unleserlich
Anmerkung: Anton Blauensteiner wohnte im Hause Aichau 9, also jenem Haus, dass am Ende des Schwarzaubaches nahe der Ortschaft Eitenthal liegt. Blauensteiner war verwitwet und von Beruf Hammerschmied. Er starb im Alter von 59 Jahren an Lungensucht.
Am 10. Juni 1917, also bereits unter dem letzten Kaiser, Karl I, wurde die Glocke zu Kriegszwecken abgenommen.
Dazu steht in den Chroniken der Pfarre Pöbring (Pfarrer war Anton Gapp):
Glockenablieferung
Relativ Gutes hat der Krieg insofern für uns gehabt, als wir zu den wenigen Verschonten bei der Glockenablieferung für Kriegszwecke gehörten. Die Kirche besieht beide Glocken als Altertümer. Jedoch mußten die Orte Schwarzau, Lohsdorf und Aichau der Zeitennot ihre Dorfglocken opfern.
1919 wurde die Aichauer Kapelle mit einer neuen Glocke ausgestattet, diese ist aus Stahl. Die Weihe der Glocke fand nach Ansuchen vom 31. Dezember 1919 am 25. Jänner 1920 statt.
Dazu steht in den Chroniken der Pfarre:
Glockenweihe Aichau
Im Jänner 1920 hat die Dorfgemeinde Aichau wieder eine Glocke aus ihren Sammelgeldern erhalten. Sie wurde vom Pfarrer Anton Gapp als delegatus geweiht. Die Teilnahme der Leute war lobenswert. In der folgenden Ansprache wurde der härtere Klang der neuen eisernen Glocke als mahnende Stimme gedeutet, dass die Herzen im Kampf gegen die 3fache Lust (Pauli) hart wie Stahl bleiben mögen: Kampf nicht Frieden ergo für ihr erst Geläute, Friede jedem einzelnen ihr letztes.
Anmerkung zur „3fachen Lust“:
Blicke des heiligen Paulus in die Tiefen der Weisheit (1840):
Von den feindseligen Mächten und besonders von der dritten unsichtbaren Macht.
Der Mensch hat mancherlei feindselige Mächte, die wider sein ewiges Heil angehen.
Erstens: Es ist eine feindselige Macht in ihm selber. Diese feindselige Macht nennt Jakobus die inwohnende Begierlichkeit, die den Menschen reizet und locket und zu allem Bösen versuchet. Als herrschende Lust empfängt sie die Sünde, und wenn sie die Sünde ausgeboren hat, so gebiert sie auch den Tod dazu. Jak. I, 14.15.
Diese feindselige Macht nennt Johannes die dreifache Lust, die Augenlust, die Fleischeslust und die bezaubernde Lust an Ehre und Eitelkeit des Lebens. 1 Joh II, 16.
1.Johannes 2,16:
Denn alles, was in der Welt ist, die Fleischeslust, die Augenlust und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern von der Welt.
Die Währungsangabe „fl“ ist die Abkürzung von Florene, besser bekannt unter Gulden. 1 Gulden entsprach ungefähr einem heutigen Wert von 10€. 1881 lag der durchschnittliche Monatslohn bei 16 Gulden.
Die Glocke soll genau 100 Jahre später, also 2019, durch eine neue Bronzeglocke samt elektrischem Läutwerk ersetzt werden.
Manchmal sind Zufälle verblüffend! Hatten wir ja schon vor 2 Jahren das Thema „elektrisches Geläut“ unserer Kapelle angesprochen, es damals aber abgelehnt. Dieses Jahr war es wieder auf der Agenda und ja, diesmal fand sich eine Mehrheit, die dafür stimmte. Bei den Vorbereitungen, also der Besichtigung des Geläuts, um die technischen Gegebenheiten abzuklären, machte Stefan, der sich dankenswerter Weise darum kümmert, eine interessante Entdeckung: Auf der Glocke steht gut sichtbar das Jahr 1919, also offensichtlich das Datum, an dem sie gegossen wurde. Das ist, ohne dass es wer ahnte, heuer das 100ste Jubiläum dieser Glocke unserer Kapelle (Kathedrale, wie sie von spöttischen Zungen hin und wieder genannt wird). Wenn das kein Grund zum Feiern ist, was dann? 100 Jahre Handarbeit finden ein Ende. Bei jedem Wetter kamen Vertreter unserer 6 Bauernhöfe jeweils 1 Monat lang, 3-mal täglich zur Kapelle, um sie erklingen zu lassen.
Glockenguß, oder Lied von der Glocke
Einigen von uns ist es vermutlich noch in Erinnerung geblieben, jenes Gedicht, das sie während ihrer Schulzeit auswendig lernen durften oder vielmehr mussten. 1799 schrieb Friedrich Schiller sein „Lied von der Glocke“ und begann es mit den bedeutungsschwangeren Worten:
„Festgemauert in der Erden
steht die Form, aus Lehm gebrannt
Heute muss die Glocke werden
Frisch, Gesellen! seyd zur Hand.“
So war unsere Gruppe der Einladung, beim Guss der neuen Aichauer Glocke dabei zu sein, gefolgt und hatte sich auf die Reise nach Passau gemacht. Gestern wurden diese Worte förmlich lebendig, denn die Methoden beim Glockengießen haben sich über die Jahrhunderte kaum verändert. Fast schien es, als hätten wir eine Zeitmaschine bestiegen. Welch beeindruckende Atmosphäre herrschte in dieser Halle. Kräftige Männer mit rußgeschwärzten Gesichtern lenkten die Bäche aus flüssigem Metall, es dampfte, rauchte und zischte, als die glühende Masse in Löchern im Erdboden verschwand um Tage später als vollendete Glocken hervorgeholt zu werden.